Über Gefühle zu reden, fällt vielen nicht leicht. Beim Kennenlernen ist das Risiko groß, auf Ablehnung zu stoßen. In einer Beziehung fürchtet man, ein unterschiedliches Tempo zu fahren: Dem einen geht es zu schnell, andere wollen lieber „ganz oder gar nicht“. Um Klarheit zu bekommen, lohne es sich stets zu kommunizieren, sind sich die Wiener Paartherapeuten Roland und Sabine Bösel einig. Worte sind dafür nicht unbedingt notwendig.
Um Hingabe zu zeigen, gibt es viele Varianten. Einigen davon sind den Psychotherapeuten bereits begegnet. Seit 40 Jahren beschäftigen sie sich damit, Konflikte und Missverständnisse in Paarbeziehungen zu lösen. Eine der kritischen Phasen sei der Übergang vom Verliebtsein zur Liebe. „Während wir verliebt sind, befinden wir uns in einem Schwebezustand und haben nicht viel Bodenhaftung. Wir sind schon hormonell bedingt euphorisch - wie auf Drogen“, beschreibt die Psychologin Sabine Bösel. Eine der Gefahren dabei sei, zu glauben, der Zustand würde dauerhaft anhalten. Doch in dieser Phase ist das Kritikzentrum im Gehirn gedämpft und man „verhält sich wie zwei aneinandergedrückte Wattebäusche“, ergänzt ihr Ehemann.
Neigt sich diese Phase zu einem Ende, kommt es oft zu Reibung. In der Beziehung entstehen Risse, viel werde fehlinterpretiert und Machtkämpfe plötzlich keine Seltenheit. Dann kann es sein, „dass es mit der Liebe auch schnell wieder vorbei ist“, so die Paartherapeuten. Doch den meisten ist gar nicht bewusst, wann sie sich noch in der Verliebtheitsphase, einem Übergang, oder bereits in einem Zustand der Liebe befinden.
Um das herauszufinden, können ein paar „Tests“ hilfreich sein, ist Sabine Bösel überzeugt. Gemeint ist: bewusst hinzusehen, ob das Gegenüber auch engagiert bleibt, wenn die Situation nicht angenehm ist. Konflikte könnten hilfreiche Indikatoren sein, um festzustellen, ob es sich um eine ernste Verbindung zwischen zwei Personen handelt. Es gilt unter anderem herauszufinden, ob man „ausstreiten“ kann: Sich beispielsweise zusammenzusetzen und eine Liste zu führen, was wer möchte oder braucht.
Um gemeinsam herauszufinden, wer sich in der Beziehung an welchem Punkt befindet und wie man zueinander steht, lohne es sich, ehrlich zu sich selbst und dem Partner zu sein. Und zu wissen, in welcher Ausdrucksweise man emotionale Hingabe senden und empfangen kann. Dabei können die sogenannten fünf Sprachen der Liebe nützlich sein. Ein Begriff, den der amerikanische Paar- und Beziehungsberater Gary Chapman prägte.
Dabei handelt es sich allerdings nicht um Systeme der Kommunikation. Sondern, erklärt Sabine Bösel, diese „Sprachen“ werden unterteilt in verbale Anerkennung und Wertschätzung, zweitens die körperliche Zuwendung, drittens einander hilfreich zur Seite zu stehen, viertens exklusive Zeit als Paar zu verbringen sowie fünftens einander zu überraschen. Auch die Paartherapeuten nutzen den Begriff, um anderen dabei zu helfen, Konflikte zu lösen.
„Unserer Erfahrung nach besteht ein Zusammenhang zwischen den bevorzugten Sprachen der Liebe und der Art, wie jemand als Kind sozialisiert wurde“, betonen sie. Für den Bezug zu frühen Erlebnissen nehmen sie sich gern selbst als Beispiel: „Ich habe als Kind tatkräftig im Geschäft meiner Eltern mitgeholfen und dabei viel Lob bekommen. Verbale Anerkennung war also genug da“, beschreibt Roland Bösel, während seine Ehefrau eher damit zu kämpfen hatte, keine verbale Würdigung zu bekommen. „Deshalb schätze ich es heute umso mehr, zu hören, wenn meine Leistung belobigt wird“, resümiert sie.
Es gebe jedoch auch Mischformen, und auch unterschiedliche Neigungen müssten nicht bedeuten, eine dysfunktionale Beziehung zu führen. Relevanter sei, zu wissen, in welcher Weise man unterschiedlich spricht. Und für das Gegenüber die Sprache zu wählen, die es sich wünscht. „Die Verständigung über unterschiedliche Sprachen der Liebe hinweg ist eine der einfachen Übungen“, sagt Frau Bösel, schwieriger werde es, wenn ungleiche Werte gelebt und Aktivitäten präferiert werden.
Wenn es darum geht, ob die Sprachen der Liebe auch virtuell anzuwenden sind, merkt Roland Bösel an: „Die Anbahnung eines Kontaktes funktioniert über Online-Dating gut – aber das Interesse ebbt oft relativ schnell ab. Es passiert unbewusst, aber wenn wir nicht diese Art Seelenverwandtschaft empfinden - wenn kein Feuer da ist - findet man sich rasch zurück am Start, beim Suchen.“ Bis auf die erste Ausdrucksform - Anerkennung und Wertschätzung - seien die anderen kaum einsetzbar.
Auch wenn sich immer mehr - vor allem junge - Menschen über Online-Dating kennenlernen, gelte nach wie vor dieselbe Devise, um eine gesunde Beziehung zu führen. „Frei nach Erich Fromm“, so Roland Bösel, „Liebe ist eine Aktivität. Sie hält sich nicht von alleine, wir müssen sie pflegen, auf verschiedene Arten. Es ist hilfreich, einander zu fragen, was der jeweils andere braucht und wo ihm oder ihr etwas fehlt. Wir sollen einander in der Tiefe kennenlernen und wirklich miteinander reden. Konflikte als Wachstumschance begrüßen - als Gelegenheit, sich gemeinsam weiterzuentwickeln.“ Denn es sei unsinnig zu glauben, in einer guten Beziehung gäbe es keine Konflikte.
Darüber hinaus lohne es sich gleich am Anfang - ob nun virtuell oder persönlich - auf (gemeinsame) Werte zu achten. Denn: „Wenn einem Individuum die sexuelle Treue wichtig ist und der andere eine monogame Beziehung als furchtbar einengend empfindet, dann wird ein langfristiges Zusammenleben schwierig“, stimmen die beiden überein. Insgesamt brauche es in allen Beziehungen eine klare Zusage: Dafür, Lösungen zu finden und eben keine faulen Kompromisse, in der man nur etwas - dem anderen zuliebe - über sich ergehen lässt.
2023-02-02T15:10:34Z dg43tfdfdgfd