FLUCHEN IST GESUND: WARUM SCHIMPFEN SO VERDAMMT GESUND IST

In stressigen Situationen rutschen dir gern mal Kraftausdrücke heraus? Gut so, verflucht! Wir erklären, wie deine Gesundheit davon profitiert

Du hast einen wichtigen Termin, findest aber deinen verdammten Schlüssel nicht. In Eile läufst du durch die Wohnung und stößt mit deinem Zeh volle Wucht ans Tischbein. SCHEI**E, tut das weh! Sobald du den verfluchten Drecksschlüssel gefunden hast, steigst du ins dämliche Mist-Auto und fährst los. Am Ziel angekommen, schnappt sich der bescheuerte Idiot vor dir den letzten Parkplatz. Du musst am anderen Ende der Welt parken und kommst zu spät, verdammte Axt!

Ein Szenario, das dir so oder so ähnlich bekannt vorkommt? Kein Wunder. In solchen Stress-Situationen dominieren Schimpfwörter deinen Wortschatz? Das ist gut so! Dr. Udo Baer, Diplom-Pädagoge, Therapeut und Autor des Buches "Der kleine Ärger und die große Wut" (Beltz Verlag, 15 Euro bei amazon.de), erklärt, warum Fluchen gut für deine Gesundheit sein kann.

Warum fluchen Menschen?

"Fluchen dient als Ventil, um angestaute negative Emotionen herauszulassen. Es ist wie bei einem dampfenden Kessel: Irgendwann muss der Druck raus. Schimpfworte eignen sich sehr gut, um die Psyche zu entlasten – genauso wie alles andere, was Emotionen von innen nach außen lässt ", erklärt der Experte.

Dadurch, dass negative Gefühle verbalisiert werden, schluckst du deinen Ärger nicht herunter, sondern baust Stress ab. Das sind psychische Konsequenzen, die du sofort spüren kannst. Doch auch auf körperlicher Ebene profitiert dein Körper vom Fluchen.

Welche gesundheitlichen Konsequenzen haben unterdrückte Gefühle?

Falls sich negative Gefühle in dir aufstauen und nicht rausgelassen werden, sorgt das für dauerhafte Missstimmung – du kannst sogar ernsthaft körperlich erkranken.

"Unterdrücken Menschen ihre Gefühle, steigt die Wahrscheinlichkeit für Bluthochdruck, Entzündungen und Magengeschwüre nachweislich", warnt Baer. Diese Auswirkungen müssen nicht sofort eintreten, sie entwickeln sich in einem schleichenden Prozess.

Was passiert im Gehirn, wenn ich fluche?

"Bei Ärger wird im Gehirn eine Erregung aufgebaut, die durch den Kraftausdruck schlagartig entladen wird. Das passiert im limbischen System, also dem Gehirnareal für emotionale Regungen", erklärt Baer.

Du kannst es dir in etwa so vorstellen, wie bei einem Blitzeinschlag. Erst entsteht Spannung in einer Gewitterwolke. Diese entlädt sich dann schlagartig durch einen Blitz. Bist du wütend, wirkt sich das auf den gesamten Körper aus. "Bei Ärger erhöht sich der Blutdruck und senkt sich nach dem Fluchen wieder", sagt der Experte.

Stimmt es, dass Fluchen Schmerzen lindert?

In einer neurologischen Studie  der englischen Keele Universität fanden Wissenschaftler heraus, dass Flüche tatsächlich Schmerzen lindern können. In einem Test wurden Versuchspersonen in 2 Gruppen aufgeteilt und mussten ihre Hände in Eiswasser legen. Die eine Gruppe durfte ausgiebig schimpfen, der anderen Gruppe war dies untersagt.

Das Ergebnis: Probanden, die Kraftausdrücke benutzten, konnten ihre Hände länger im Eiswasser behalten und empfanden subjektiv weniger Schmerz. "Das Ergebnis dieser Studie ist gut nachzuvollziehen. Der Schmerz sorgt für hohe Anspannung, da helfen zwei Dinge: Weinen und Fluchen", so Baer.

Gibt es ein richtiges Maß fürs Fluchen?

"Beim Fluchen gibt es keine generellen Vorgaben, da Schimpfen Emotionen ausdrückt", so Baer, "Es gibt ja auch kein richtiges Maß für Liebe oder Angst." In einigen Lebenssituationen ist es aber gesellschaftlich nicht akzeptiert zu schimpfen, zum Beispiel in einem Bewerbungsgespräch. Baer: "Fluchen sollte nicht zu einer schlechten Alltagsgewohnheit werden, die man nicht mehr loswird. Schimpfen und ärgern Leute sich ständig über alles, kann das zu einer Last werden." Und zwar auch für die Mitmenschen. Du möchtest ja auch nicht neben jemandem sitzen, der oder die permanent flucht, oder? Merkst du, dass zu viele Schimpfwörter deine sozialen Beziehungen beeinträchtigen, solltest du das mal herunterschrauben.

Übrigens ist es ein Mythos, dass Menschen, die viel fluchen, intelligenter sind, da schimpfen ein Ausdruck von Gefühlen und nicht von Intelligenz ist.

Was passiert, wenn ich eine Person beschimpfe?

Da geht es um den entscheidenden Unterschied zwischen fluchen und beleidigen: Stößt du dir den Zeh an einem Tischbein und schimpfst zornig drauflos, beleidigst du niemanden. Auch beim Autofahren ist Fluchen okay, da die Person im anderen Auto dich (hoffentlich) nicht hört. Das passt zum Wesen des Fluchens: Es hilft vor allem, wenn du an der eigentlichen Situation nichts ändern kannst.

Meistens fluchen Menschen über Personen auch nur dann, wenn diese gerade nicht anwesend sind. Das ist auch völlig in Ordnung, da geht es um soziale Verträglichkeit. Wenn alle Menschen einander immer ehrlich ins Gesicht sagen (oder schreien) würden, was sie übereinander denken, hätte bald kaum mehr jemand Freunde und Beziehungen. Wenn du aber in Bezug auf eine bestimmte Person immer wieder deinen Ärger schluckst und später in Schimpftiraden ausbrichst, solltest du dich um ein klärendes Gespräch mit ihr bemühen. Auf Dauer ist es bestimmt keine gesunde Lösung, das mit dir selbst auszutragen.

Auch bei Konflikten gilt: Eine Person mit Schimpfwörtern zu bombardieren, ist nicht empfehlenswert, egal wie groß der Ärger ist. Das verhärtet nur die Fronten und bewirkt bei dir nur neue Stresszustände wie zum Beispiel Schuldgefühle. Es kann dich womöglich auch Freundschaften kosten. Im direkten Umgang mit Menschen ist es auf jeden Fall besser, ein konstruktives Gespräch zu führen als laut draufloszufluchen. Wenn dir in Gegenwart anderer Leute ein Fluch entweicht, stellst du am besten sofort klar, dass es nichts mit den anwesenden Personen zu tun hat, und beruhigst dich so gut es geht.

Sollten Kinder fluchen dürfen?

Den Spruch "Wasch dir mit Seife den Mund aus“ kennen viele noch aus ihrer Kindheit, wenn ihnen der ein oder andere Kraftausdruck herausgerutscht ist. Experte Baer empfiehlt jedoch ausdrücklich, Kindern das Fluchen zu erlauben. Mache das Kind nur darauf aufmerksam, bestimmte Begriffe nicht zu nennen, und setze auch für das Fluchen klare Regeln. Der Pädagoge betont: "Verbieten Eltern Ihren Kindern zu fluchen, verbieten sie Ihnen eine seelische Entlastung."

Fluchen ist ein menschliches Bedürfnis und kann eine Wohltat für Körper und Seele sein. Auf Dogmen aus deiner Kindheit wie "Scheiße sagt man nicht" kannst du pfeifen. Am besten schimpfst du nur dann lautstark, wenn es außer dir keiner hört. So wird aus dem Fluchen keine schlechte Gewohnheit, sondern Gesundheitsmanagement.

Erwähnte Quellen:

Stephens R, Atkins J, Kingston A. Swearing as a response to pain. Neuroreport. 2009 Aug 5;20(12):1056-60. doi: 10.1097/WNR.0b013e32832e64b1

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