"HILFE, SEINE EX-AFFäRE NISTET SICH IN UNSERER FAMILIE EIN!"

Psychotherapeut Hans-Otto Thomashoff und Familienberaterin Sandra Teml-Wall beantworten Fragen von STANDARD-Leserinnen und -Lesern zu den Themen Familie, Beziehung und Erziehung.

Frage:

"Lieber Familienrat, im letzten Jahr hatte mein Mann eine Affäre. Keine Sorgen, unserer Ehe geht es wieder gut. Das passiert in den besten Familien. Dennoch gibt es ein Problem: Die Affäre ist mittlerweile die beste Freundin meiner Schwägerin. Da meine Schwägerin recht wenig Freunde hat, war es leicht für sie, sich da einzunisten. Auch bei meiner Schwiegermutter steht diese Frau hoch im Kurs.

Wir haben zwar keinen Kontakt zu meiner Schwägerin (von meinem Mann ausgehend), jedoch ist es für mich immer mit sehr großem Bauchweh verbunden, wenn mein Mann und die Kinder Kontakt zu seiner Familie haben. Ich werde in solchen Momenten immer sehr paranoid, da ich nicht will, dass seine Schwester und ihre beste Freundin irgendwas über uns wissen. Mich belastet das sehr, aber ich möchte weder meinem Mann noch unseren Kindern den Kontakt zu den Großeltern verbieten.

Ich merke, ich will diese Situationen nicht mehr. Ich fühle mich dabei sehr unwohl nach all dem, was passiert ist. Ich habe aber auch keine Ahnung, was ich tun oder verlangen soll. Haben Sie einen Rat?"

Antwort von Sandra Teml-Wall:

Der erste Satz, der mir beim Lesen Ihrer Frage in den Sinn gekommen ist, lautet: Ich weiß, dass du weißt, dass ich weiß, dass du's weißt. Hier tun alle so, als ob.

Doch von Anfang an: Eine Affäre passiert nicht. Eine Affäre ist kein Hoppala. Eine Affäre entsteht aus bewusst getroffenen Entscheidungen und Lügenkonstrukten. Eine Affäre ist geplant und ausgeklügelt. Ich freue mich, wenn es Ihnen gelungen ist, aus dem Schmerz wieder in Ihre Kraft zu kommen. Ich freue mich, wenn Ihr Mann Verantwortung übernommen hat und aus seinem Verhalten eindeutig klar hervorgeht, dass er für das, was er getan hat, Verantwortung übernommen hat und dazu stehen kann.

Kann er das, wird er auch damit einen Umgang finden, dass sich seine Affärenpartnerin weiterhin in seiner familiären Nähe befindet. Er wird sich ihrer möglichen Avancen erwehren können. Davon gehe ich aus.

Jetzt kommen wir zu Ihrer Angst: Ich bin eine große Freundin davon, den Ängsten ins Auge zu schauen, indem wir uns mit dem Worst-Case-Szenario anfreunden: Was würde denn passieren, wenn die beste Freundin Ihrer Schwägerin etwas über Sie erfahren würde? Was genau? Dass Sie es gemeinsam geschafft haben, die Krise zu überwinden? Zählen Sie alles auf! Malen Sie sich alles aus!

Und dann – und das ist das Wichtigste – denken Sie weiter! Drücken Sie auf die Play-Taste und lassen Sie den Film laufen, anstatt wie gebannt auf die gruseligen Einzelbilder zu schauen. Wie geht die Geschichte weiter? Was passiert, wenn die Ex-Affäre etwas über Sie weiß? Schauen Sie den Film bis zum Ende an. Und achten Sie immer wieder auf Ihr Atmen währenddessen. Die Angst lässt uns nämlich den Atem anhalten – ich lade Sie ein, den Atem fließen zu lassen, damit Sie sich immer wieder in die Ruhe und ins Hier und Jetzt bringen können.

Vielleicht tut es Ihnen auch gut, den Film nicht alleine anzuschauen. Vielleicht haben Sie eine Freundin oder einen Coach, die oder der Sie da durchgeleitet und mit Ihnen alles begrüßt, was in Ihnen auftaucht. Alles, was wir zulassen und ansprechen, kann auch gehen.

Kennen Sie den blauen Elefanten im Raum? Die Redewendung "Der blaue Elefant im Raum" bezieht sich auf ein offensichtliches Problem oder eine unangenehme Tatsache, die von den Beteiligten ignoriert wird, obwohl sie offensichtlich ist und eine Diskussion erfordert. Es symbolisiert etwas, das so präsent ist, dass es schwer zu übersehen ist, aber dennoch von den Beteiligten vermieden wird, aus Unbehagen oder aus Angst vor den Konsequenzen.

"Name it and time it, heißt es so schön im Englischen. Sprechen Sie das Unansprechbare an und nehmen ihm so die Angst und Größe." Sandra Teml-Wall, Familienberaterin

Möglicherweise liegt es an Ihnen, in Ihrer (Schwieger-)Familie den blauen Elefanten sichtbar zu machen und ernsthafte Gespräche zu führen: mit Ihrem Mann, Ihrer Schwägerin, Ihrer Schwiegermutter. Name it and time it, heißt es so schön im Englischen. Sprechen Sie das Unansprechbare an und nehmen ihm so die Angst und Größe. Lassen Sie Ihren Bauch sprechen – sprechen Sie das an, was offensichtlich in der Luft liegt. Nur so vermeiden Sie, dass das Hinterrücks- und Versteckspiel wieder bei Ihnen einzieht. Alles Gute! (Sandra Teml-Wall, 25.4.2024)

Antwort von Hans-Otto Thomashoff:

Das zentrale Thema, um das es hier geht, ist Loyalität. Ihr Gefühl spricht da eine eindeutige Sprache. Die Loyalität Ihres Ehemanns zu Ihnen ist verletzt worden, aber inzwischen ist sie wiederhergestellt, und nun ist mehr als verständlich, dass Sie sich der Loyalität Ihres Mannes sicher sein wollen. Genau die wird jedoch durch die Präsenz der Affäre andauernd auf die Probe gestellt, was Ihre gelegentlichen "paranoiden" Momente, von denen Sie schreiben, erklärt.

Da die von uns gewählte Partnerschaft die wichtigste Beziehung im Leben ist, wäre es angesichts dessen, was passiert ist, schön, wenn Ihr Mann nun voll und ganz hinter Ihnen steht. Was seine Schwester angeht, scheint das ja schon durch einen Konflikt zwischen den beiden gegeben zu sein – was die Schwester wiederum zu nutzen scheint, um ihm durch ihre "neue Freundin" eins auszuwischen. Doch was Sie angeht, ist die Lage geklärt.

"Ihnen als Schwiegertochter steht die Loyalität der Schwiegereltern wohl stärker zu als der Freundin der Tochter."  Hans-Otto Thomashoff, Psychotherapeut

Was bleibt, sind Ihre Schwiegereltern, und da wäre es gut, wenn Ihr Mann sie offen bitten würde, Rücksicht auf die für Sie nachvollziehbar unangenehme Situation zu nehmen und den Kontakt zu der plötzlichen besten Freundin ihrer Tochter auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Ihnen als Schwiegertochter steht die Loyalität der Schwiegereltern wohl stärker zu als der Freundin der Tochter, die sich zudem aus Familiensicht alles andere als rücksichtsvoll verhält.

Sollte Ihr Mann seinen Eltern gegenüber diese Grenze nicht einfordern, sollten Sie selbst mit Ihren Schwiegereltern offen sprechen – es dürfte ja wohl jedem nachvollziehbar sein, dass die jetzige Situation unangenehm für Sie ist und daher angemessen gelöst gehört. (Hans Otto-Thomashoff, 25.4.2024)

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