NEUES HAUS, NEUES LEBEN: FüR EINE FAMILIE GING ES VON DER QUIRLIGEN GROßSTADT MITTEN IN DIE NATUR

Familienhaus

Das Motto: Barefoot luxury – die Herausforderung: Kinder, Hunde, Hühner und einen großen Garten zu vereinen.

Das allererste Treffen fand in einem Konferenzraum in Sydney statt. Der Architekt Matt Chaplin hatte einen großen Koffer mitgebracht, in dem sich ein Modell befand. Mit den Worten „Okay, das ist es!“ stellte er es auf den Tisch. „Es“ war der Entwurf für ein 485 Qua­drat­meter großes Familienanwesen in Queenstown, Neu­see­land. Die Auftraggeber: eine Familie mit drei kleinen Jungen (ein vierter sollte im Laufe des Projekts noch folgen). Mit am Tisch saßen die australischen Innenarchitektinnen Juliette Arent und Sarah-Jane Pyke: „Von Anfang an haben wir eng mit dem Archi­­t­ekten zusammengearbeitet“, betonen sie. „So konnten wir sicherstellen, dass die Räume den Kunden und dem Leben, das sie sich hier vorstellten, entsprechen.“ Immer­hin wagte die Familie einen großen Schritt und plante, vom quirligen Sydney in einen abgelegenen Winkel Neuseelands zu ziehen, am Fuße eines Gebirgszugs mit dem verheißungsvollen Namen The Remarkables. „Es ging also nicht nur darum, ein Haus zu bauen, sondern ein neues Leben für sie zu gestalten.“

&

Mitten in der Weite Neuseelands schafften Arent & Pyke ein Zuhause für die Großfamilie

Um herauszufinden, wie genau dieses neue Leben aussehen sollte, verbrachten die Innenarchitektinnen viel Zeit mit dem Paar. „Die beiden sind sehr entspannte, unkomplizierte Menschen mit einem ausgeprägten Familiensinn.“ Barefoot luxury lautete eines der Stich­worte; das Haus sollte großzügig sein, komfortabel und schön, aber niemals zu kostbar, denn hier sollte sich ein robustes Familienleben abspielen können, mit Kin­dern und Hunden, mit Hühnern, Obst- und Gemüse­gärten, eng verbunden mit der umliegenden Landschaft. Denn die Lage ist tatsächlich bemerkenswert. „Das Anwesen ist nun wirklich nicht klein, aber in dieser Landschaft mit seiner großen Weite und den Bergen rundherum fühlt es sich klein an“, sagt Pyke. „Die Szenerie hat mich sehr inspiriert. Mir wurde klar, wie geerdet sich das Haus anfühlen muss. Man sollte sich hier in dieser unendlichen Weite sicher fühlen, gehalten.“ Ein echter Schlüsselmoment für die Innenarchi­tektinnen war der erste gemeinsame Besuch des fast 35 Hektar großen Geländes, das noch nie zuvor bebaut worden war. „Sie steckten ein paar Pfähle in den Boden, wo das Haus entstehen sollte, und wir durften das Gelände besichtigen, noch bevor der erste Spaten­stich gesetzt wurde. Das war fantastisch“, erzählt Pyke. Der Eindruck, den die Landschaft auf sie machte, spiegelt sich heute in ihrem Farbkonzept wider: Töne in Blau, Safran und Silbergrau bilden das farbliche Drei­gestirn, welches den weiten Himmel, das herbstliche Laub, die Felsen und Wolkenfetzen zitiert.

&

Dazu kommen warme Töne wie Muskatnuss und Zimt und der alchemistische Schimmer von bronzefarbenen Griffen und Leuchten. Das gesamte Schiefer-Mauerwerk erhielt einen hellen Anstrich, da die Kun­den trotz der rustikalen Lage einen modernen, frischen Look wünschten – bei den örtlichen Behörden ein umstrittenes Thema, denn klassischerweise ist ein Haus in dieser Region ebenerdig und aus unbehandeltem Naturstein; der Wunsch nach Homogenität ist groß. Doch die Architekten waren in der Lage, einige historische Beispiele für gestrichenen Stein zu finden; Präzedenzfälle, um bei den strengen Behörden die Baugenehmigung zu erhalten. Ebenerdig ist das Haus tatsächlich geworden, dank der hohen Decken und der Oberlichter stellt sich aber an keiner Stelle ein Bun­galow-Gefühl ein, im Gegenteil: Die Herausforde­rung für die Innenarchitektinnen bestand eher darin, bei einer Raumhöhe von über fünf Metern und großen, offenen Räumen mit bodentiefen Fenstern an beiden Seiten so etwas wie Intimität zu schaffen.

&

Maßanfertigungen, um die Dimensionen der Höhe auszugleichen

Im großen Wohn- und Esszimmer, dem Mittelpunkt der Anlage, gelang dies durch zwei Maßnahmen: Zum einen ließen sie die Decke schwarz streichen, um den Raum wieder „nach innen zu holen“, zum anderen hängten sie zwei riesige Papierlampions über den Esstisch, die den Raum auf menschliches Maß herunterbrechen: „Die Noguchi-Leuchten verwenden wir häufig, sie sind inzwischen eine Art Markenzeichen von uns. Sie lenken den Fokus auf den Tisch, der sich in einem so großen Raum sonst ziemlich klein anfühlt.“

&

Den richtigen Maßstab zu finden war immer wieder Thema. Die Kunden wollten ursprünglich ihre eigenen Möbel mitbringen, doch Pyke hielt sie davon ab: „Nichts, was sie besaßen, hätte hier funktioniert. Es hätte sich albern angefühlt.“ In ein Haus dieser Dimen­sion gehören Möbel derselben Größenordnung. So wurde alles eigens angefertigt oder bestellt. Was zur Zerreiß­probe geriet, da das Haus zwar pünktlich zum ersten Lockdown fertig war, sämtliche Möbel aber bis zu zwei Jahre lang in diversen Häfen der Welt festsaßen. Das riesige braune Ledersofa von Baxter aus Italien zum Beispiel, das nun endlich das Herzstück des Wohn­zimmers bildet und exemplarisch für genau den entspannten Luxus des Hauses steht, den die Familie sich wünschte: „Sie liebten die Vorstellung, dass das Leder immer weicher und abgenutzter wird. Wie eine große, bequeme alte Lederjacke, an der man die Spuren der Jahre ablesen kann.“

&

Styling Jack Milenkovic

&

2024-04-30T07:03:58Z dg43tfdfdgfd